November 2021

  • Das Jahr nähert sich so langsam dem Ende, unsere Tanks sind voll, und nach und nach reduzieren wir auch unsere Brauaktivitäten im laufenden Jahr. So haben wir am 20.11.2021 nur ein Bier gebraut, diesmal ein Pils. Die Schüttung bestand zu 44 % aus Pilsner Malz, zu 44 % aus Pale Ale Malz und zu 12 % aus Carapils. Gemaischt wurde bei konstant 72 °C in 55 L Wasser, welches wir mit 0,3 L Döhler Sauergut auf natürliche Weise leicht angesäuert haben. Zum Einsatz kam unser Braumeister 50 von Speidel, und das Maischen war nach 30 Minuten beendet, gefolgt von 60-minütigem Läutern. Wir haben bei einem Einsatz von 11,5 kg Malzschrot nach insgesamt 90 Minuten 58 Liter jodnormale Würze mit rund 12 °P erhalten.
    Für die Bitterhopfung wurde Enigma (18 % alpha) verwendet, in den Whirlpool bei 90 °C kamen 100 Gramm des britischen Endeavour Aromahopfen, der eine Kreuzung aus Cascade und Target ist. BarthHaas beschreibt ihn auf seiner Website (https://www.barthhaas.com/hopfensorte/endeavour, abgerufen am 22.11.2021) mit Aromen von Lebkuchen, Brombeere und Bergamotte. Diese Aromen sind für ein kommerzielles Pils zwar eher ungewöhnlich, aber in untergäriger Führung mit der ImperialYeast "Urkel" (eine tschechische Pilsner Hefe) dürften diese Aromen dezent im Hintergrund bleiben.
    Am Ende haben wir im Gärgefäß 55 Liter mit 12,5 °P erhalten, die nun während ca. 2 Wochen bei 13 °C vergoren werden. Mitte Dezember wird das Bier dann geschlaucht und karbonisiert. Laut Herstellerangaben sedimentiert diese Hefe eher langsam, getrunken werden kann das Bier daher erst ca. Mitte Februar. Trotzdem haben wir aus den experimentellen Ansätzen vom 28.8.2021 aktuell rund 2 x 40 Liter fertiges Pilsner Bier vorrätig. Das isotherm gebraute hat bei 11,7 °P einen Alkoholgehalt von 3,1 Vol-%, das klassisch gebraute mit 12,2 °P einen Alkoholgehalt von 5,3 Vol-%. In einer professionellen Verkostung bei den Kollegen in München schnitt das klassisch gebraute etwas besser ab. Erwähnt sei, dass beide Biere bei der Verkostung noch unterschiedlich trübe waren und Schwebstoffe den Geschmack beeinflussen können. Gerade in der ersten Führung benötigt die W34/70 nach unserer Erfahrung etwas mehr Zeit zur Sedimentation.
    Mittlerweile sind beide Biere gut geklärt, und wer einmal vergleichend, selbstverständlich "streng wissenschaftlich", verkosten möchte, möge sich bitte bei Frau Marg per E-Mail melden. Wir füllen dann 2 Flaschen a 0,33 L ab, die ohne Angabe von Alkoholgehalt und Stammwürze nur mit "Pils A" und Pils B" gekennzeichnet sind. Dabei werden wir A und B bei mehreren Interessenten vertauschen, d.h. aus dem Buchstaben alleine kann nicht gefolgert werden, um welches Bier es sich handelt. Wir verwenden auf den Flaschen des Weiteren ein individuelles Kürzel, mit dem wir das Bier bei uns im Hause zweifelsfrei zuordnen können. Zum Abholen von (kostenlosem) Bier ist die Brauerei noch bis einschließlich 17.12.2021 geöffnet, danach gönnen wir uns nach bzw. in einem ereignisreichen Jahr eine Pause bis einschließlich 09.01.2022.

     

  • Am 13. und 14.11. haben wir experimentell gebraut. Auf dem durchaus steinigen Weg zu alkoholreduzierten IPAs mit nur 3 - 4 Vol-% Alkohol (anstelle der üblichen 6 - 8 Vol-%) haben wir eine Testreihe mit Wethop durchgeführt. Dabei handelt es sich um Frischhopfen, der vom Hersteller direkt nach Ernte aufbereitet, verpackt und schonend pasteurisiert wird. Hopfen kann abhängig von der Sorte Glucoamylasen, alpha- und beta-Amylase enthalten. Führt man während der Gärung eine klassische Kalthopfung durch ("Hopfenstopfen"), werden die unvergärbaren höheren Zucker zu vergärbaren abgebaut, und die Biere gären sozusagen durch und erreichen auch (scheinbare) Endvergärungsgrade von 90 % und darüber.

    Das Chromatogramm zeigt exemplarisch diese Begleiterscheinung. Aus Pale Ale Malz wurde durch Konstanttemperaturmaischen bei 72 °C eine Würze hergestellt, die in den höheren Zuckern im Vergleich zu einem klassischen Infusions- oder (industriellen) Hoch-Kurz-Maischverfahren stark angereichert ist. Die verwendete Hefe (Lallemand Verdant IPA) vergärt Fructose, Saccharose sowie Glucose, Maltose und Maltotriose, nicht jedoch Maltotetraose und darüber. Wird der verwendete Hopfen in kochender Würze kurz sterilisiert, bleiben die höheren Zucker unangetastet. In der Gegenwart von nicht modifiziertem Hallertauer Mandarina Bavaria (Pellets 90) werden die höheren Zucker jedoch abgebaut und vergoren, sodass erheblich höhere Alkoholgehalte resultieren. Dieses Verhalten ist von einer Vergärung mit einer sog. Diastaticus-Hefe, die höhere Zucker abbauende Amylasen enthält (wie bspw. die Fermentis WB06), auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden.

    Vergangene Versuche haben gezeigt, dass Wethop ein ambivalentes Verhalten an den Tag legt. Bei einigen Sorten haben wir keinerlei Abbau der höheren Zucker beobachtet, bei zumindest einer Sorte jedoch ein Durchgären mit fast vollständigem Abbau der höheren Zucker. Bei dem aktuellen Experiment wurden im Braumeister 50 exakt wie am 23.10. aus Pale Ale Malz und Carahell 50 Liter Würze hergestellt. Diese wurde mit unbehandeltem Blanc und Ariana Wethop direkt zu Beginn der Gärung mit der Lallemand Voss Kveik einer Kalthopfung unterzogen. Die Hauptgärung bei 20 °C war am 14.11. schon abgeschlossen, und die nächsten Tage werden zeigen, ob der Hopfen höhere Zucker abbaut.

    Um die Gutachterkommentare einer eingereichten Pubikation zu beantworten, im Wesentlichen geht es um Konfidenzintervalle der im Manuskript präsentierten Daten, haben wir Maischversuche mit Pilsner Malz wiederholt. Insgesamt 4x haben wir im Braumeister 10 von Speidel je 2 kg geschrotetes Pilsner Malz eingemaischt und während 120 Minuten bei konstant 72 °C gemaischt. Proben zur Analyse wurden nach 5, 30, 60 und 120 Minuten gezogen. Diese werden bzgl. folgender Parameter analysiert: Verzuckerung in °P, Zuckerverteilung (HPLC und enzymatisch), freier Aminostickstoff (FAN) und Viskosität. Die Würzen (insgesamt rund 40 L) wurden in einer 50 L Anlage zusammengeführt und gemeinsam gekocht, für 60 Minuten mit 25 g Nelson Sauvin, 25 g Nelson Sauvin wurden für die Whirlpool-Hopfung verwendet. Vergoren wird die Würze mit der IMPERIALYEAST "Stefon", bei der es sich gemäß der Beschreibung um die Weihenstephan W68 handeln dürfte. Diese Hefe produziert das Weizenbier-typische Nelken- und Bananen-Aroma. Da ein Weizenbier nach dem vorläufigen Biergesetz von 1993 mindestens 50% Weizenmalz enthalten muss, handelt es sich um ein experimentelles "Falsches Weizen". Frühere Blindverkostungen bei uns hatten zum Ergebnis, dass die Verkoster alle "Haus und Hof" verwettet hätten, dass es sich um Weizenbiere handelt, obwohl nur Gerstenmalz verwendet wurde. Auch hier bestätigt sich dann, leicht abgewandelt, die alte Brauerweisheit: "Der Brauer macht die Würze, die (Weizen-)Hefe macht das (Weizen-)Bier!"

  • Am 6.11.2021 haben wir insgesamt 200 L Pilsner Bier gebraut. Die Schüttung von gut 47 kg bestand zu 52 % aus Pilsner Malz, zu 29 % aus Pale Ale Malz, zu 10% aus Carapils und zu 9 % aus Carahell. Pale Ale Malz und Carahell intensivieren die Farbe und erhöhen wie auch Carapils die Vollmundigkeit. Pilsner Malz selber ist das vielleicht wichtigste Basismalz im Brauwesen, zumal es sehr enzymstark ist, und wird von vielen Brauereien singulär für das Brauen von sehr hellen Pilsner Bieren verwendet. Allerdings hat jeder Brauer seine eigene Philosophie, und so werden für Pilsner Biere in verschiedenen Anteilen weitere Malze der Schüttung zugegeben. Mit der oben genannten Schüttung haben wir in der Vergangenheit weiche und vollmundige Pilsner Biere gebraut, und so sollte es auch diesmal sein - do not change a running system.
    Wir haben zur moderaten pH-Wert Absenkung insgesamt 1,3 L Sauergut zugegeben, dies verbessert die Enzymarbeit und hilft bei Gärung und Reifung, kratzige Hopfenbitterstoffe auszufällen. Gemaischt wurde isotherm bei 72 °C. Da mit der Brewtools 150 Pro nur 150 Liter gebraut werden können, haben wir in unserer 60 L Anlage mit Rührwerk weitere 50 Liter hergestellt. Klassische Rührwerke haben in Brauanlagen gegenüber der Malzrohrtechnik den Vorteil, dass das Einmaischen des Malzschrots in wenigen Minuten erledigt ist und von Anfang an eine sehr gute Durchmischung inkl. homogener Temperaturverteilung erreicht wird. Konkret haben wir (gegen übliche Verfahrensweisen) bei 77 °C eingemaischt, und nach Zugabe des Malzschrots sank die Temperatur schnell auf 73 °C ab. Nach weiteren ca. 5 Minuten wurden 72 °C erreicht, die während 30 Minuten PID-gesteuert mit ± 0,1 °C konstant gehalten wurden.
    Nach gerade einmal 25 Minuten war die Maische jodnormal, und nach insgesamt rund 30 Minuten startete das händische Abläutern in den Braumeister 50. Dieses war nach weiteren 45 Minuten abgeschlossen, und es resultierte eine jodnormale Würze, weil die Verzuckerung während des Abläuterns weiter stattfindet. Maischen und Läutern benötigen mit dem isothermen Maischverfahren bei 72 °C weniger als 90 Minuten, und grundsätzlich könnte die Würze nach 90 Minuten bereits kochen. Mit der Brewtools Anlage dauerte das Abläutern etwas länger, weil das Malzschrot im Malzrohr dazu neigt, zu kompaktieren, was wir als grundsätzlichen, keineswegs aber kritischen Nachteil der Malzrohrtechnik ansehen. Ein regelmäßiges manuelles Aufhacken des Treberkuchens während des Abläuterns ist daher zwingend erforderlich, um ein halbwegs zügiges Abläutern sicher zu stellen. Dafür kann man bei kleineren Anlagen z.B. einen leistungsfähigen Akkuschrauber mit einem lebensmittelechten Quirl verwenden.
    In beiden Anlagen kochten wir die Würze(n) für 60 Minuten, die Bitterhopfung erfolgte mit dem australischen Enigma, der sich auch als Aromahopfen gut eignet. Im Whirlpool kam die alte, neu angebaute Sorte "Rottenburger" zum Einsatz, die dem Bier würzige Aromen verleiht, abgerundet durch Hüll Melon, der dezente Fruchtaromen einbringen sollte. Zum Rottenburger schreibt der Hobbybrauerversand (dort abgerufen am 07.11.2021): "Ursprünglich im ehemaligen Hopfenbaugebiet Rottenburg-Herrenberg-Weil der Stadt beheimatete Hopfensorte. Wurde teilweise auch in Tettnang angebaut. In den späten 60er / frühen 70er Jahren mit dem Niedergang des Hopfenbaus in Rottenburg und der Umstellung auf neuere Sorten mit höherem Alphagehalt aus dem Anbau verschwunden. Eine einzelne Pflanze überlebte, liebevoll gepflegt, 40 Jahre lang auf dem Betrieb Locher in Tettnang-Missenhardt."
    Der Sud wird in "Tank Siegfried" bei 13 °C mit der TUM W 34/70 in der zweiten Führung vergoren. Mit einer Stammwürze von 13,5 °P rechnen wir mit ca. 4 Vol-% Alkohol. In der zweiten Führung sedimentiert diese Hefe schneller als in der ersten, sodass das Bier pünktlich zum Silvester-Fest fertig sein sollte, vielleicht klappt es auch schon zu Weihnachten