August 2023

  • Am 28. und 29.08.2023 fand im Rahmen des Moduls "Einführung in die Chemie des Brauwesens" das Praktikum statt, an welchem sieben Braubegeisterte teilgenommen haben. Am ersten Tag haben wir in der Forschungsbrauerei insgesamt vier Biere gebraut, die maximal 0,5 % vol Alkohol enthalten sollen.
    Der Gesetzgeber hat diesen Gehalt als Grenze für Alkoholfreiheit definiert. Hintergrund ist, dass es, wenn kein Mangel an Alkoholdehydrogenase vorliegt und auch keine Alkoholallergie besteht, für einen erwachsenen Menschen faktisch unmöglich ist, so viel eines solchen Bieres zu trinken, um einen verkehrsuntüchtigen Alkoholgehalt aufzubauen. Mit einer Abbaurate von 0,085 - 0,1 Gramm Alkohol pro kg Körpergewicht und Stunde, je nach Geschlecht, halten sich Aufnahme und Abbau weitgehend im Gleichgewicht.
    Für Kleinbrauereien aber auch unsere Forschungsbrauerei ist der Aufwand, normal gebraute Biere zu entalkoholisieren, weder platztechnisch noch finanziell zu stemmen, vom Erfahrungsvorsprung von Großbrauereien ganz abgesehen. Nun gibt es aber sog. maltosenegative Hefen, die von den während des Maischeprozesses gebildeten Zuckern nur Saccharose, Fructose und Glucose umsetzen, nicht jedoch Maltose, Maltotriose und höhere Zucker.
    Um nun kein Süßbier zu brauen, wird die Stammwürze auf ca. 7 °P reduziert. Im Falle des isothermen Hochtemperaturmaischens findet ferner keine Spaltung von Saccharose statt, und die gebildete Menge an Glucose ist nach unserer bisherigen Erfahrung gegenüber einem klassischen Infusionsverfahren reduziert, während gleichzeitig die für die Vollmundigkeit wichtigen höheren Zucker angereichert werden.


    Gemaischt wurden einmal 11 kg, einmal 12 kg Pale Ale Malz in einer 50 L Maischepfanne mit Rührwerk. Die so erhaltenen Würzen wurden anschließend auf gut 100 L verdünnt, und zusammen mit Sauergut und Hopfenextrakt während einer Stunde gekocht. Da bei der Vergärung mit maltosenegativen Hefen kein ausreichender pH-Sturz erfolgt, was u.a. die Ausfällung unerwünschter Bitterstoffe aus dem Hopfen verhindert, wird der Milchsäuregehalt auf ca. 700 mg/L eingestellt. Vor Überführung in das jeweilige Gärgefäß, welches je penibel gereinigt und mit Nassdampf sterilisiert werden MUSS, um evtl. vorhandene maltosepositive Hefen sicher abzutöten, wurde die Stammwürze durch Verdünnung auf rund 7 °P eingestellt.
    Die beiden Sude werden vergoren mit:
    1) Saccharomycodes Ludwigii
    2) Cyberlindnera Misumaiensis
    Hierbei wurde durchaus kräftig gehopft, um eine Bittere von ca. 35 IBU Einheiten zu erreichen. Die Cyberlindnera Misumaiensis vergärt keine Saccharose, sodass bei dieser Stammwürze ein Alkoholgehalt von weniger als 0,5 % vol erreicht werden sollte. Beide Biere sollen in die Richtung eines "Pils" gehen.
    3) Cyberlindnera Saturnus
    4) Lallemand Brewing "LONA"
    Die Würze für diese beiden Hefen wurde mit ca. 20 IBU Einheiten deutlich milder gehopft.  Die Cyberlindnera Saturnus produziert ein deutliches Birnenaroma, während die "LONA" als sehr neutral vergärend beschrieben wird. Letzterer Würze haben wir den Hopfenextrakt "Spectrum" von Barth-Haas in der Variante "Citra" zugegeben, um so ein alkoholfreies Pale Ale herzustellen.

    Beim Brauen mit maltotriosenegativen oder maltosenegativen Hefen ist strikt darauf zu achten, dass keine gewöhnlichen Hefen in der gärenden Würze vorhanden sind, im Kaltbereich muss daher alles, was mit Würze in Kontakt kommt, zuvor penibel sterilisiert werden. Unerwünschte Fremdhefen würden sich im Ergebnis so äußern, dass die Gärung nach dem eigentlichen Ende wieder an Fahrt aufnimmt. Maltose- und maltotriosepositive Hefen würden sich in der Würze vermehren und irgendwann damit beginnen, Maltose und Maltotriose zu vergären.
    Dies lässt sich mit Hochleistungsflüssigkeitschromatographie sicher nachweisen, auch würden die Biere dann ca. 1,5 % vol Alkohol erreichen, anstelle der erwarteten ca. 0,5 % vol. Wie erfolgreich wir mit der Reinigung der Gärgefäße waren, werden wir in ein paar Wochen wissen. Die Hersteller der Hefen empfehlen ferner ausdrücklich, diese Biere zu pasteurisieren, um Nachgärung in Flasche oder Fass und deren mögliches Platzen zu verhindern. Gemäß der Pasteur-Formel für Bier, die seinerzeit aus vielen Versuchen entwickelt wurde, und einem Zielwert von ca. 15 Pasteureinheiten (PE) zur Abtötung von Hefezellen, genügt es, diese Biere für rund 15 Minuten auf 60 °C zu erhitzen:
    PE = t min * 1,393^(T °C - 60 °C)
    Bei 65 °C wären nur noch rund 3 Minuten erforderlich. In der Realität werden mehr PE erreicht, weil kein Getränk von einer niedrigeren Ausgangstemperatur unendlich schnell auf die Zieltemperatur erhitzt, dort für die vorgegebene Zeit belassen und danach wieder unendlich schnell auf die Ausgangstemperatur abgekühlt werden kann. Das Thema ist durchaus komplex, da auch die Zahl der Hefezellen eine Rolle spielt, und für andere Getränke gibt es auch andere Formeln, daher sei an dieser Stelle auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.

    Am 29.08. wurde unter Anleitung von Braumeister Siegfried Opperman in der Brauakademie Zellerfeld im regulären Betrieb ein "Helles" gebraut.
    Hierbei kam das sog. Hoch-Kurz-Infusionsmaischverfahren zum Einsatz, und nach dem Hopfenkochen wurden 280 L Würze mit 12,1 °P erhalten. Vergoren wird diese Würze zusammen mit schon gärendem Jungbier mit einer untergärigen Pilsener-Hefe im rund 1000 L fassenden zylinderkonischen Gärgefäß bei 10 °C, und die Hauptgärung wird ca. 10 Tage benötigen. Im Rahmen des Praktikums konnte so auch erlernt werden, wie der Braualltag in einer kommerziellen Kleinbrauerei verläuft.

  • Nach unserer kurzen Sommerpause haben wir am 16. August das Brauen wieder aufgenommen. Wie früher schon berichtet vergleichen wir das isotherme Hochtemperaturmaischverfahren mit den klassischen wie z.B. dem in Großbrauereien angewandten sog. Hoch-Kurz-Maischverfahren, und diese vergleichenden Versuche haben wir nun wiederholt und müssen sie noch einmal wiederholen. Vorab, die Abweichungen zur ersten Versuchsreihe während des Maischens sind nur gering, was für eine gute Reproduzierbarkeit spricht.
    In der Wissenschaft ist es zwingend erforderlich, Versuche zu wiederholen, um Fehlinterpretationen auszuschließen, und mit drei identisch durchgeführten Versuchen erreicht man in der Regel eine gute Datenbasis. Dass Ergebnisse selten zu 100% übereinstimmen, ergibt sich alleine schon aus zufälligen Fehlern, die zu mehr oder weniger um einen Mittelwert streuenden Ergebnissen führen. Um ganz sicher zu gehen und um auch systematische Fehler auszuschließen, sollten Versuche idealerweise auch von verschiedenen Personen durchgeführt werden, auch wenn dies im Rahmen von Studienabschlussarbeiten per se schwierig ist. Bei einem auf eine Person zugeschnittenen Promotionsvorhaben kann es sich sogar als sehr schwierig erweisen, ein Ergebnis von einer anderen Person prüfen zu lassen, da die Expertisen durchaus individuell sind und der Erfahrungsschatz während des wissenschaftlichen Arbeitens auch wächst.
    Dazu kommt, dass für den Abschluss eines Promotionsvorhabens ein wissenschaftlicher Fortschritt nachgewiesen werden muss. In Zeiten von Impact Factor, Hirsch-Index und Co, die nur quantitative Parameter abbilden nicht jedoch qualitative, stellt sich die Frage, wie die Ergebnisse aus zeitaufwändigen Versuchen in einem solchen Kontext zu sehen sind. Beschäftigt man sich mit einer chemischen Synthese, kann der Aufwand für die zweimalige Wiederholung überschaubar sein. In der Physikalischen Chemie oder in der Experimentalphysik kann der Zeitaufwand jedoch stark variieren.
    Nehmen wir als Beispiel die Photoelektronenspektroskopie, die auch bei der Analytik von Bierschäumen von Interesse ist. Ist man in diese Technik eingearbeitet, was eine mehrmonatige Lernphase erfordert, benötigt man für die Vorbereitung und die Durchführung eines Experimentes einen Tag, ein ähnlicher Zeitaufwand ist für ein Experiment mit der Rasterkraftmikroskopie erforderlich. Es ist also durchaus möglich, in einer Experimentierwoche solche Experimente zweimal zu wiederholen, gefolgt von der mehr oder weniger aufwändigen Datenauswertung. Dies setzt stets voraus, dass die Geräte funktionieren und kein externer Störfaktor auftritt. Bei der in situ Rastertunnelmikroskopie kann der Aufwand erheblich sein, und wenn man Pech hat, ist das Experiment nach Annäherung der Sonde an die Probe schon beendet, und dann fängt man eben wieder von vorne an.

    Wie ist das nun aber in der Bierbrauerei? Den Kolleginnen und Kollegen, die sich ausschließlich mit Brauwissenschaft beschäftigen, wird häufig vorgeworfen, dass sie zu wenig publizieren und über zu geringe Hirsch-Indices verfügen. An außeruniversitären Forschungsinstitutionen oder an ausländischen Universitäten ist die Mittelvergabe nicht selten an solche quantitativen Parameter gekoppelt, und der angloamerikanische Slogan "Publish or perish!" wird gezwungenermaßen aktiv gelebt. Kann man es schaffen, im Brauwesen 100 Publikationen pro Jahr zu schreiben, wie es einige Gruppen in Chemie oder Elektrochemie tun? Betrachten wir dazu einfach einmal den Zeitaufwand in einer Großbrauerei. Die Maisch- und Läuterarbeit für ein typisches Pilsner Bier beträgt 2 - 3 Stunden, je nach Brauverfahren, gefolgt von einem einstündigen Kochen.
    Bei einem Mehrgerätesudhaus kann ein Sud nach 4 - 5 Stunden beendet sein, und im Schichtbetrieb könnte eine Brauerei pro Tag bis zu 5 Sude herstellen. Danach folgt die ca. einwöchige Hauptgärung, gefolgt von einer ca. vierwöchigen Nachgärung. Danach wird das Bier filtriert und abgefüllt. Summa summarum dauert es vom Brautag bis zum Abfüllen ca. 6 Wochen.
    In unserer Forschungsbrauerei, in der wir (noch) nicht filtrieren, dauert der gesamte Prozess, bis ein untergärig gebrautes Bier ausgereift ist, gut 8 Wochen, zumal unsere Tankkapazitäten begrenzt sind. In dieser Zeit werden dann die ganzen analytischen Arbeiten durchgeführt, wie: Bestimmung des freien Aminostickstoffs (FAN) Zuckerverteilung mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie und enzymatischer Verfahren sowie Viskosität. Die ausgegorenen Biere werden letztlich eingehend im Hinblick auf die Gärnebenprodukte, Milchsäure und die mikrobiologische Reinheit untersucht und einer sensorischen Bewertung (aka "Verkostung") unterzogen.
    Alle diese Prozesse und Untersuchungen werden zweimal wiederholt, damit die Ergebnisse auch ein peer-review-Verfahren überstehen. Und wer weiß, welche zusätzlichen Experimente sich dann aus der Begutachtung noch ergeben. So verwundert es nicht, dass in der Chemie ein Experiment nach 4 Wochen dreimal durchgeführt und fertig ausgewertet sein kann, während im Brauwesen für eine solche Versuchsreihe aber schon einmal 6 Monate Zeit erforderlich sind.