Januar 2024

  • Wir beschäftigen uns im Rahmen mehrerer Bachelorarbeiten mit maltose- und maltotriosenegativen Hefen. Diese Hefen verwerten im ersten Fall lediglich Glucose, Fructose und Saccharose (manche sogar nur Glucose und Fructose), maltotriosenegative Hefen verwerten zusätzlich noch die Maltose, welche im industriellen Hoch-Kurz-Maischverfahren aber auch in unserem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren der Zucker mit der höchsten Konzentration in der Würze ist. Die Maltotriose, der zweithäufigste Zucker, wird jedoch nicht verwertet. Der Unterschied im Alkoholgehalt zwischen Bieren, die mit maltotriosepositiven ("normalen") und -negativen Hefen vergoren wurden, beträgt meistens weniger als 1 % vol. Eine Würze mit einer Stammwürze um 11,5 °P, die mit dem Hoch-Kurz-Maischverfahren hergestellt wurde, hätte mit einer normalen Hefe vergoren, die also die Maltotriose verwertet, ca. 5 % vol Alkohol, mit einer maltotriosenegativen ca. 4,3 - 4,4 % vol Alkohol.
    Großbrauereien verwenden solche meist obergärigen Hefen jedoch eher selten, da es im Braualltag einer Brauerei sehr schwer ist, den Eintrag von normalen Hefen aus der Brauereiluft in das Gärgefäß zu vermeiden. Spätestens in der Nachgärung würde sich eine normale Hefe durchsetzen und letztlich die Maltotriose vergären. Eine Brauerei müsste also von Anfang an ausschließlich solche Hefen verwenden, und selbst dann könnte nicht ausgeschlossen werden, dass normale Hefen von außen eingeschleppt werden. Ein solches Bier müsste daher sehr zügig pasteurisiert oder einer Feinstfiltration unterzogen werden, was im praktischen industriellen Braualltag nicht problemlos umsetzbar ist. Noch schwieriger wird es mit maltosenegativen Hefen, die beinahe zwingend eine Pasteurisation erfordern.
    Nebenergebnisse von Bachelorarbeiten haben gezeigt, dass mit der neuen maltosenegativen Hefe "LoNa" von Lallemand Brewing (LoNa steht für Low and No alcohol) alkoholfreie Biere mit weniger als 0,5 % vol (die aktuelle gesetzliche Grenze für Alkoholfreiheit) herstellbar sind. Diese wurden an der TU Clausthal auch schon getrunken und durchaus positiv bewertet, weil ihnen der Malzbiercharakter aktueller kommerzieller alkoholfreier Biere fehlt.
    Allerdings haben wir beobachten müssen, dass die Vergärung nicht ganz unproblematisch ist. In zwei von sechs Experimenten haben wir in der Tat bei rund 7 °P maximal 0,5 % vol Alkohol erhalten. In zwei anderen Experimenten war der Alkoholgehalt nach Abschluss der Hauptgärung während mehrerer Tage stabil, danach begann eine weitere Gärung mit dem Endresultat von 1,8 % vol bei 7 °P. Hier haben aus der Luft normale Hefen ihren Weg in die Würze gefunden, und so wurden dann eben auch die Maltose und die Maltotriose vergoren, obwohl die Gärgefäße und alle mit der Würze in Kontakt stehenden Gerätschaften und Schläuche zuvor pasteurisiert oder sogar sterilisiert wurden.
    In weiteren zwei Experimenten haben wir bei 7 °P sogar Alkoholgehalte von 3,5 % vol erzielt. Die wahrscheinlichste Ursache bei diesen Bieren war, dass der Aromahopfen bei der angewandten Vorgehensweise enzymatisch noch aktiv war, höhere unvergärbare Zucker zu vergärbaren umgesetzt wurden und daher die Gärung schleichend weiterging. Dieses Verhalten kennen wir, und es ist uns als "Hop Creep Effekt" bestens bekannt. Aus diesen Versuchen mit maltose- und maltotriosenegativen Hefen konnten wir aber auch ein sicheres und ausreichend langes Zeitfenster ableiten, innerhalb dessen wir diese Biere pasteurisieren müssen.
    Über die Pasteurisation wurde hier schon berichtet. Konkret haben wir einige endvergorenen Jungbiere drucklos in Fässer gefüllt und diese verschlossen im Wasserbad für eine bestimmte Zeit auf 65 °C erhitzt. Dabei werden Hefen und ggf. auch Bakterien sicher abgetötet, und diese Biere müssen dann unter hochreinen Bedingungen (um den Eintrag von Fremdhefen sicher auszuschließen) zwangskarbonisiert werden. Solche Pasteurisationsversuche haben wir im Januar durchgeführt, und wir sind auf das geschmackliche Ergebnis gespannt.
    Nach diesen durchaus detaillierten Ergebnissen aus den Bachelorarbeiten werden wir uns in 2024 auch auf die Herstellung verschiedener alkoholfreier Biere, bis hin zu Weissbieren, konzentrieren. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass es maltosenegative Hefen gibt, mit denen es unter gewissen anspruchsvollen Rahmenbedingungen auch möglich ist, alkoholfreie Biere mit 0,0 % vol Alkohol herzustellen. Sofern ein Mensch keinen Mangel an Alkoholdehydrogenase hat, sind Biere mit maximal 0,5 % vol Alkohol unter Berücksichtigung der aktuellen gesetzlichen Lage jedoch unkritisch. Apfelsaft enthält übrigens durchaus 0,3 - 0,4 % vol Alkohol, eine reife Banane schon einmal 1 % m/m Alkohol, und Traubensaft kann schon einmal 1 % vol Alkohol enthalten. Wir rechnen jedoch damit, dass die EU diese Grenzen in der Zukunft verschärfen und auf die ein oder andere Art hin zu verminderten Alkoholgehalten drängen wird.

    Und damit kommen wir nun zu unserem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren. In zahlreichen Beiträgen auf dieser Website haben wir über dieses durchaus neue Verfahren berichtet, und wir kennen mittlerweile im Detail alle denkbaren aber beherrschbaren Fallstricke. Bei Stammwürzen zwischen 11 und 12 °P liegt der bisher niedrigste Wert, den wir mit normalen Hefen erreichen konnten, bei 2,2 % vol Alkohol. Unser am 17.11.2023 gebrautes Pils hat mit 11 °P einen Alkoholgehalt von nur 2,5 % vol, also ungefähr die Hälfte eines kommerziellen Pilsener Bieres.
    Anfang Januar wurden solche Biere bei einer Blindverkostung in einem Hotel in Norddeutschland mehr als 50 Gästen angeboten, und die Gäste bemerkten den geringen Alkoholgehalt geschmacklich nicht. Gegen Mitternacht sprach ein Gast den Autor dieser Zeilen an, was mit den Bieren nicht stimme. Er habe innerhalb von 6 Stunden nun 6 Halbe (à 0,5 Liter) getrunken und merke überhaupt nichts. Die folgende wissenschaftliche Erklärung überraschte aber überzeugte ihn auch. Daher sind wir sicher, dass wir mit diesem Brauverfahren auf dem richtigen Wege sind.

    Am 24. Januar haben wir daher wieder ein Pils gebraut. Zum Schroten kam unsere neue MattMill Professional 120 zum Einsatz, die nicht nur sehr leise läuft sondern sich zusammen mit einer Haube, an der die Malzsäcke angebracht werden, durch eine vernachlässigbare Staubentwicklung auszeichnet. Die Schüttung bestand zu 100% aus Pale Ale Malz, gemaischt wurde parallel in unserem BrewTower 180+ sowie in der BrewTools 150 Pro. Das hatte alleine Zeitgründe, weil es gegen Ende der Vorlesungszeit zeitlich immer wieder etwas eng wird.
    Wir brauen künftig übrigens nur noch Vorderwürzebiere, d.h. das Malz wird in eine in Vorversuchen bestimmte Menge an Wasser eingemaischt, gefolgt von einer isothermen Rast zwischen 72 und 78 °C. Nach spätestens 60 Minuten startet das Läutern, und wir geben bewusst keine Nachgüsse auf. Wir benötigen nur unwesentlich mehr Malz, um die Verluste durch das nicht erfolgte Auswaschen des Trebers für die gewünschte Stammwürze auszugleichen.
    Für eine Kleinbrauerei ist es nicht unbedingt erforderlich, aus dem Malz das letzte Zuckermolekül auszuquetschen. Nicht ganz überraschend haben wir in beiden Anlagen im Rahmen der Fehlertoleranz identische Stammwürzen erhalten. Für die Bitterhopfung haben wir einen neuen nicht-isomerisierten Bitterhopfenextrakt von Yakimachief verwendet, für die Whirlpoolhopfung bei rund 90 °C den elsässischen Strisselspalter. Vergoren werden die beiden Würzen gemeinsam in unserem "Tank Siegfried" mit der WhiteLabs WLP 830 bei 12 °C. Bei ca. 11,5 °P rechnen wir mit einem Alkoholgehalt von 3 % vol.