Mai 2024

  • Wir möchten in dieser Rubrik von Zeit zu Zeit über die Beobachtungen berichten, die wir im Alltag einer Forschungsbrauerei so machen, und das meiste davon wird sich so oder so ähnlich auch in größeren Brauereien finden. Aus gegebenem Anlass möchten wir ein wenig über die Problematik verschimmelter Flaschen berichten. Wer einen Kasten Bier im Supermarkt kauft, macht sich in der Regel keinerlei Gedanken darüber, was mit der geleerten Flasche passiert. Die Flaschen werden von Ausnahmen abgesehen ungespült in die Kästen gestellt, bis der Kasten mit leeren Flaschen eben über das Pfandsystem zurück in die Brauerei gelangt, was nach Rückgabe durchaus mehrere Wochen dauern kann.
    Dort werden die Flaschen vorsortiert und in einer technisch ausgeklügelten Flaschenreinigungsmaschine mit heißer Lauge und unter ordentlichem Druck gespült, auch der Kasten selber wird gereinigt. Nach einem Spülschritt mit Wasser sind die meisten Flaschen danach innen blitzeblank und brautechnisch steril, sie können für die Füllung mit dem nächsten Bier verwendet werden. Davor werden sie noch mit Licht durchleuchtet, und Flaschen mit nicht unbedingt sichtbaren aber dennoch vorhandenen Defekten werden automatisch aussortiert. Bei sehr stark verschmutzten Flaschen kann es in seltenen Fällen aber trotzdem passieren, dass eine solche Flasche durch das Raster fällt und in eine solche Flasche Bier gefüllt wird. Auch kann es sein - dazu gibt es Fachartikel -, dass eine stark verschimmelte Flasche nach der Reinigung am Boden noch immer eine dünne, mit dem Auge kaum sichtbare Schicht an Schimmel aufweist, die sich letztlich nur chloralkalisch entfernen lässt. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, im Detail darauf einzugehen.
    Aber, warum bildet sich eigentlich Schimmel in ungespülten Bierflaschen, auch wenn in der Brauerei eine einwandfrei saubere Flasche mit Bier gefüllt wurde? Schimmelpilze bzw. Sporen sind allgegenwärtig, man nennt das in der Fachsprache "ubiquitär". Man kennt das doch aus dem Haushalt. Man lässt ein frisches Brot im Brotkasten und irgendwann beginnt es zu schimmeln. Sicher ist jedem schon einmal passiert, dass man frisches Obst kauft, legt es in den Kühlschrank und nach ein paar Tagen findet man Schimmel auf dem Obst. Ganz schnell geht dies mit Himbeeren oder Erdbeeren. Oder, man öffnet einen Becher mit Joghurt, und am Rand des Bechers befindet sich Schimmel.
    Die meisten Schimmelpilze sind aerob, d.h. sie benötigen Luft zum Wachstum, einige Arten können bei Luftausschluss aber auch Energie durch Gärung gewinnen. Für das Wachstum benötigen Schimmelpilze neben Kohlenhydraten, die über Amylasen zu einfachen Zuckern abgebaut werden, auch Proteine bzw. Aminosäuren, und selbstverständlich Wasser. Alle diese Nährstoffe finden sich in Lebensmitteln und somit auch in Bier. Es ist daher unvermeidbar, dass sich aus der Umgebung Schimmelpilze in einer Bierflasche ansiedeln. Ist diese Flasche gut gespült, finden die Schimmelpilze kein Nährmedium, und mit Luft und Wasser alleine findet auch kein Wachstum statt. Bier enthält nun aber eben unvergorene Zucker, Proteine aus dem Schaum und auch Wasser. Die geringen Mengen Alkohol im Bier stören nicht nennenswert, und manchmal finden auch Essigsäurebakterien den Weg in eine ungespülte Flasche, die in Gegenwart von Sauerstoff den Alkohol eben zu Essigsäure aufoxidieren. In der Regel sind die Schimmelpilze aber zuerst da, und diese beginnen sich in dem perfekten Nährmedium, welches sie in einer nicht ausgespülten Flasche vorfinden, zu vermehren.
    Da wir als Universität nicht verkaufen dürfen bzw. ein Verkauf steuerrechtlich sehr kompliziert wäre, geben wir das Bier kostenlos ab. Uns ist eine Rückmeldung sehr wichtig, da wir forschen und stetig neue Rezepte entwickeln. Selten brauen wir ein Bier genauso wie beim letzten Mal, und selbst bei den regelmäßig gebrauten hellen Bieren oder den Pale Ales variieren wir ein wenig die Malzmischung oder die Hopfensorten. Das Feedback unserer "Testtrinker" ist wichtig für uns, und wenn uns jemand sagt, dass man beim Trinken nicht merkt, dass unsere Biere nur halb so viel Alkohol enthalten wie Biere mit dem doppelten Alkoholgehalt, dann hilft uns dies auf unserem Weg weiter.
    Für die Reinigung unserer Flaschen steht uns eine Hochdruckflaschenwaschmaschine zur Verfügung, die mit 63 °C warmer Lauge die Flaschen in rund 8 Minuten reinigt. Ganz selten müssen wir eine Flasche ein zweites Mal reinigen. Wir beschränken uns wegen der Geruchsbelästigung auf einfache alkalische Lösungen und verwenden keine chloralkalischen Lösungen (ist auch besser für die Umwelt) in dieser Maschine, mit der wir gegenwärtig auch nur 0,33 L und 0,5 L Flaschen reinigen können, maximal 0,75 L Flaschen.
    Für die bisher überwiegend ausgegebenen 1 L Flaschen steht uns eine konventionelle Geschirrspülmaschine mit "Flaschenfee" zur Verfügung, die wir mit Lauge betreiben, wir können in einem fast 3-stündigen Spülvorgang 20 Flaschen à 1 L reinigen. Diese Maschine ist nur für leichte Verschmutzungen geeignet, Schimmel lässt sich nicht entfernen, und die Materialien dieser Maschine sind für chloralkalische Reinigungsmittel nicht geeignet. Dazu kommt, dass die Pumpe nicht genügend Druck aufbaut, um Schimmel in Flaschen zuverlässig zu entfernen.
    Wir hatten daher bisher keine andere Wahl, als jede einzelne 1 L Flasche genau anzuschauen und verschimmelte 1 L Flaschen von Hand zu reinigen. Auch dünne mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbare Schichten am Boden erfordern eine manuelle Reinigung. Dazu wird entweder jede einzelne Flasche mit einer chloralkalischen Lösung gefüllt, verschlossen und geschüttelt, mit einer Einwirkzeit von einer Stunde. Danach wird jede Flasche von Hand gespült und in der Geschirrspülmaschine mit Lauge bei 70 °C gereinigt. Oder aber wir nutzen unsere manuelle Fasswaschmaschine, mit der jede einzelne Flasche unter hohem Druck bei 75 °C mit einem sauren Reinigungsmittel gereinigt wird, was ca. 5 Minuten pro Flasche dauert. Eine Reinigung mit alkalischen Mitteln ist wegen unvermeidbarer Bildung von Aerosolen in der Atemluft nicht möglich. Nach Abkühlen der Flaschen folgt ein Spülschritt mit kaltem Wasser aus unserer Wasseraufbereitungsanlage, unser Leitungswasser ist faktisch steril. Der Zeitaufwand für das Reinigen von nur 20 verschimmelten Flaschen beträgt rund 2 Stunden, und man kann in dieser Zeit eigentlich nichts Anderes tun, weil die Einzel-Reinigung gerade mit der Fasswaschmaschine eine Aufsicht zwingend erfordert.
    Das Etikett aller unserer Flaschen enthält in farblich abgesetzter Schrift den Hinweis, die Flaschen nach dem Leeren direkt 2 - 3 x auszuspülen. Wir haben Erfahrungswerte, und wenn dies so beherzigt wird, findet in diesen ausgespülten Flaschen auch kein Schimmelwachstum statt. Das haben wir zigmal getestet, daher schreiben wir dies auf die Etiketten. Trotzdem kamen schon immer ca. 15 % der Flaschen verschimmelt zurück, selbst wenn bei der Ausgabe darauf hingewiesen wurde, die Flaschen unbedingt auszuspülen. Probeweise haben wir auf diesen Flaschen den Hinweis weggelassen, danach kamen 95 % verschimmelt zurück. Es hilft uns auch nicht, wenn die verschimmelten Flaschen vor Rückgabe gespült werden, wir sehen die dünne verbliebene Schicht am Flaschenboden bei Kontrolle mit bloßem Auge. Einmal ist uns beim Abfüllen eine augenscheinlich einwandfreie Flasche geplatzt, und nur durch Schutzausrüstung ist uns nichts passiert. Eine mögliche Ursache ist, dass die Flasche vor Rückgabe bei uns zur Entfernung des Schimmels mit kochendem Wasser gereinigt wurde. Damit entstehen nicht sichtbare Verspannungen im Material, und dann kann eine Flasche ohne Vorwarnung platzen. Auch eine automatische Anlage in einer Großbrauerei würde eine solche Flasche nicht sicher aussortieren können.
    Wir haben lange überlegt, wie wir mit diesem Problem nun umgehen, denn wir können nicht mehr tun, als darum zu bitten, die Flaschen direkt nach Leeren auszuspülen. Als erste Maßnahme haben wir die freie Abgabe von Bier in 1 L Flaschen auf unbestimmte Zeit eingestellt. Natürlich gibt es weiterhin bei uns Bier in 1 L Flaschen zum Mitnehmen, aber diese müssen im Sekretariat eben explizit angefordert werden. Wir vertrauen darauf, dass unsere Bitte, die Flaschen unbedingt direkt nach Leeren auszuspülen, auf diese Weise auch umgesetzt wird.
    Wir werden für Veranstaltungen, bspw. für die BigBand der TU Clausthal, weiterhin Bierkästen füllen. Auch werden wir weiterhin Bier in Fässern abgeben. Hier existiert ein vernachlässigbares Schimmelrisiko, und für die Reinigung und Dampfsterilisation von Fässern sind wir bestens ausgerüstet. Als weitere Maßnahme werden wir überlegen, wie wir unsere Hochdruckflaschenwaschmaschine so erweitern, dass wir auch 1 L Flaschen zuverlässig reinigen können, oder wir stellen auf 0,75 L Flaschen um. Dazu werden wir beim Hersteller nachfragen und falls möglich, die Maschine kostspielig umbauen müssen, und wir werden mit Schimmel-Test-Flaschen ausprobieren müssen, wie viele Spülgänge wir benötigen, um die Flaschen zuverlässig zu reinigen. Auch ist zu testen, ob das einfache alkalische Reinigungsmittel genügt oder ob wir ein chloralkalisches Reinigungsmittel (was wir der Umwelt zuliebe eigentlich gerne unterlassen würden) verwenden müssen. Letztlich unterliegen wir der Lebensmittelkontrolle und als Forschungsbrauerei an einer Universität ist es unsere Pflicht, Sorge dafür zu tragen, dass unser Bier ausschließlich in einwandfrei saubere Flaschen gefüllt wird.

  • Wer kennt nicht das Pilsner Bier, das eines der am häufigsten gebrauten Biere in deutschen Brauereien ist. Es ist charakterisiert durch eine gelbe bis goldgelbe Farbe, es kann eine deutliche Hopfenblume aufzeigen, und es ist eher bitter mit 30 - 40 IBU Einheiten. Der Alkoholgehalt liegt mit einer Stammwürze von 11,5 °P bei ca. 5 % vol, und ein Pilsner Bier aus Großbrauereien ist klar filtriert. Ein Pilsner Bier ist als untergäriges Bier eher einfach zu brauen, wenn die technischen Voraussetzungen erfüllt sind, die Malzschüttung besteht in der Basis aus Pilsner Malz, abgerundet durch Spezialmalze wie Carahell oder Carapils. Für die Bittere verwendet man einen Bitterhopfen als Pellets oder Extrakt, und für das Aroma kommen klassische Hopfen aus der Hallertau in Frage, wie "Tradition", "Mittelfrüh" oder auch solche aus Tettnang, um nur einige zu nennen. Vergoren werden die meisten kommerziellen Pilsner Biere mit den untergärigen Hefen W34/70 oder W34/78. Da diese Hefen eine gewisse Menge an nach Butter schmeckendem Diacetyl produzieren, sind eine längere Lagerzeit oder eine Vergärung unter Überdruck erforderlich.
    Wir haben für 50 Liter Pils eine Schüttung bestehend aus Pale Ale Malz und Carapils verwendet und diese isotherm bei 78 °C gemaischt. Mit Pale Ale Malz ergibt sich nach unserer Einschätzung eine bessere Vollmundigkeit als mit Pilsner Malz, und Carapils verbessert die Schaumstabilität. Die Maische war in unserer 50/70 L Anlage mit Rührwerk nach 30 Minuten jodnormal, und eine längere Maischzeit hat nach unserer Erfahrung kaum noch einen Einfluss auf die erzielbare Stammwürze, da die Verzuckerung sowieso während des Läuterns fortgeführt wird. Es spielt nach unseren bisherigen Erfahrungen keine nennenswerte Rolle, ob 30 oder 60 Minuten gemaischt wird, bevor sich ein 30 - 60-minütiges Läutern anschließt, die erzielbare Stammwürze ist beinahe identisch, und wir haben bei gleicher Gesamtzeit bisher keinen Unterschied zu einem 2- oder 3-stufigen Infusionsverfahren feststellen können. Gekocht wurde der Sud in der BrewTools 150 Pro während einer Stunde mit einem Bitterhopfenextrakt von Yakimachief, für das Aroma wurde Hallertauer Mittelfrüh in 2 Gaben zugegeben, mit dem Ziel einer Bittere von 35 IBU Einheiten. Vergoren wird der Sud in "Tank Ulla" mit der Lallemand "Diamond", eine untergärige Hefe, die in ihren Eigenschaften nahe bei der W34/70 liegt. Mit einer Stammwürze von rund 11,5 °P rechnen wir basierend auf kürzlichen Ergebnissen mit einem Alkoholgehalt von 2,3 % vol, eine sich abzeichnende untere Grenze mit maltotriosepositiven Hefen.

    Am selben Tag haben wir mit denselben Gerätschaften auch ein Helles gebraut, mit der identischen Vorgehensweise. Die Schüttung wich ein wenig von der des Pilsner Bieres ab und enthielt auch noch ein wenig Melanoidinmalz. Damit soll das Bier im Vergleich zum Pils geschmacklich ein wenig mehr "Körper" erhalten und eine etwas tiefere Farbe. Gemaischt wurde bei 78 °C, und die Würze wurde mit dem genannten Bitterhopfenextrakt von Yakimachief gekocht, für das Aroma verwendeten wir Hallertauer Mittelfrüh und einen für den Whirlpool geeigneten Hopfenextrakt von Yakimachief in der Variante "Citra". Mit diesem Aromahopfen soll dem Bier ein sehr dezentes fruchtaromatisches Profil verliehen werden. Die berechnete Bittere sollte zwischen 25 und 30 IBU Einheiten betragen, also etwas milder als das Pils, und beim Alkoholgehalt rechnen wir ebenfalls mit ca. 2,3 % vol Alkohol. Vergoren wird der Sud in "Tank Alex", und das Bier sollte wie auch das Pilsner Bier Ende Juni / Anfang Juli ausgereift sein. Beide Biere werden anschließend einer Filtration über einen Kerzenfilter unterzogen, damit klare Biere resultieren.
    Nach einer Testphase, in der wir viel über das Filtrieren mit Kerzenfiltern gelernt haben, werden wir künftig die meisten Biere filtrieren, nicht jedoch unsere Pale Ales und Weissbiere. Eine gewisse Trübung ist bei einem Pale Ale eher gewünscht, und wir können sie durch gut sedimentierende Hefen gut kontrollieren, und bei einem Hefeweissbier erwartet man eh eine gewisse Trübung. Gerade für unsere alkoholfreien und pasteurisierten Biere ist eine Filtration für die Stabilität des Bieres von großem Vorteil, ferner für unsere glutenfreien Biere, die wir aber nicht regelmäßig brauen.

  • Unser Schwarzbier gehört zu den häufiger nachgefragten Bieren bei uns, insbesondere in der Sommerzeit. Ein Schwarzbier basiert meistens auf dunklem Münchner Malz, die kaffeeartigen Aromen, die für ein solches Bier typisch sind, werden mit Caramünch erreicht und mit Röstmalzen wie Carafa oder Chocolate Malt vertieft. Wir verwenden in der Schüttung zusätzlich noch etwas Melanoidinmalz und eine kleine Menge Rauchmalz, um dem Bier mit letzterem einen Hauch an Raucharoma zu verleihen. Für die Vertiefung der Farbe haben wir Röstmalzbier der Firma Weyermann verwendet.
    Wir (bzw. einer von uns) haben diesmal, um den Aufwand am Vatertag, dem 09. Mai 2024, etwas geringer zu halten, mit der Malzrohrtechnik gebraut und in unserer BrewTools 150 Pro 130 Liter Wasser mit einer Temperatur von 82 °C vorgelegt. Eingemaischt wurden insgesamt 23 kg der Malzmischung, und nach dem Einmaischen sank die Temperatur auf 76 °C, die für 60 Minuten konstant gehalten wurde.
    Mittlerweile konditionieren wir unser Malz, wofür wir unsere Schrotmühle, die neue MattMill Pro der Firma MattMill, die diese letztlich aus einem Forschungsprojekt hervorgehend entwickelt hat, leicht anpassen mussten. Mit dieser kleinen Modifikation, die im Austausch mit Matthias Hoßfeld umgesetzt wurde, lässt sich nun auch konditioniertes Malz problemlos schroten. Im Nebeneffekt haben wir fast keine Staubentwicklung mehr, was nicht nur der Sauberkeit im Malzlager dienlich ist, sondern auch die Belastung mit Malzstaub, die insbesondere bei Allergikern zu Malzfieber führen kann, auf ein Minimum reduziert. Auch die gefürchtete Klumpenbildung beim Einmaischen ist durch die Verwendung von konditioniertem Malz kein nennenswertes Problem mehr.
    Liest man die Lehrbücher des Brauwesens, würde niemand wagen, ein vorgeblich enzymschwaches Malz wie Münchner Malz, dazu in Mischung mit 30 % enzymatisch inaktiver Spezialmalze, bei 82 °C einzumaischen und anschließend während 60 Minuten bei 76 oder sogar 78 °C zu maischen. Fakt ist aber, dass die Maische bereits nach 30 Minuten jodnormal war und sich die in situ Extraktausbeute während der folgenden 30 Minuten nur noch um weniger als 1 °P erhöhte.
    Wie kann so was sein? Eine wissenschaftliche Diskussion dazu wäre wahrscheinlich abendfüllend und vermutlich kontrovers, aber man muss berücksichtigen, dass jedes Jahr in der Europäischen Union bis zu 30 neue Gerstensorten angemeldet werden. In Deutschland werden die Braugersten durch Züchtungen im sog. Berliner Programm kontinuierlich weiterentwickelt, und Braumalz besteht selten aus einer einzigen Gerstensorte. Aktuell besteht Braugerste (häufig) zu rund 50 % aus der enzymstarken Sorte "Avalon", andere Sorten in der Mischung können die "Quench" sein, die "Accordine", die "Leandra", die "Irina" und etliche andere.
    Die Avalon wird nun aber nach und nach durch bessere Gerstensorten ersetzt, und so wird das Braumalz eben kontinuierlich besser. Mälzereien sind hochspezialisierte Betriebe, und die Mälzer, Mälzermeister, Brauer und Braumeister in diesen Betrieben entwickeln die Prozesse stetig weiter, sodass heutzutage eben Malze auf dem Markt sind, die für das isotherme Hochtemperaturmaischen sehr gut geeignet sind, auch wenn diese Zielsetzung vielleicht nie im Vordergrund stand. Auch muss die wissenschaftliche Frage erlaubt sein, ob sich im Laufe dieser vielen Jahre an kontinuierlicher Entwicklung nicht auch die Molekülstruktur der alpha-Amylase verändert hat.
    Wir haben nach dem Läutern nur 10 Liter Nachguss verwendet und mussten die Würze danach auf fast 130 Liter verdünnen, um die Zielstammwürze von 11,5 °P, mit der der Alkoholgehalt des fertigen Bieres bei ca. 2,5 % vol liegen sollte, zu erreichen. Gekocht wurde die Würze in der BrewTools während einer Stunde mit einem nicht-isomerisierten Bitterhopfenextrakt von Yakimachief, 5 Minuten vor Kochende wurde eine weitere kleine Menge dieses Hopfenextraktes zugegeben, und die berechnete Bittere sollte im fertigen Bier bei 30 IBU Einheiten liegen.
    Wir haben bei Suden im März, über die hier nicht im Detail berichtet wurde, leider beobachten müssen, dass Hopfen aus einer Kleinpackung falsch ausgezeichnet war oder in der Packung eben nicht der Hopfen enthalten war, den wir gekauft zu haben glaubten. Ein Pils, welches für 30 IBU Einheiten ausgelegt wurde, erschien im Geschmack auffällig mild in der Bittere, und die Messungen haben gezeigt, dass bei allen vier Bieren die gemessene Bittere nur ca. 2/3 der berechneten betrug. Anstelle von 30 IBU Einheiten für ein Pils erreichten wir nur 20 IBU Einheiten, und anstelle von 20 IBU Einheiten bei einem dunkleren Bier nur deren 13 IBU Einheiten - unpassend für die angestrebten Biere. Mit Bitterhopfenextrakten von großen Firmen hatten wir dieses Problem nie, selten wich die gemessene Bittere mal um 2 IBU Einheiten vom Zielwert ab, daher verwenden wir für die Einstellung der Bittere nun wieder konsequent Bitterhopfenextrakte.
    Die gekochte Würze wurde nach 15 Minuten Whirlpool über einen Trubfilter und einen Plattenwärmetauscher auf die 50/70 L ZKGs "Tank Martin" und "Tank Mathias" aufgeteilt, und in jedem Tank werden nun gut 50 Liter Würze mit der Lallemand "Diamond" in der zweiten Führung vergoren. Wie auch viele größere Brauereien haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade untergärige Hefen ab der zweiten Führung besser vergären und besser sedimentieren, was den Vorteil hat, dass sich die Biere schneller klären und dann auch mit weniger Aufwand zu filtrieren sind.
    Allerdings hat die Mehrfachführung untergäriger Hefen, die letztlich Hybride aus der Saccharomyces Eubayanus und der Saccharomyces Cerevisiae sind, ihre Grenzen, und ab der 5. Führung muss man mit anderen Gäreigenschaften rechnen. Wir verwenden untergärige Hefen maximal 3x wieder. Mit der Malzrohrtechnik haben wir bisher immer etwas höhere Alkoholgehalte erzielt als in Maischpfannen mit Rührwerk, trotzdem rechnen wir mit weniger als 3 % vol Alkohol. Wir sind auch gespannt, wie sich die merklich reduzierte Klumpenbildung des konditionierten Malzes im Malzrohr während des Einmaischens auf den späteren Alkoholgehalt auswirkt.

  • Am 07. Mai haben wir basierend auf Vorversuchen aus einer Bachelorarbeit einen Versuch zu einem Pale Ale/ NEIPA mit weniger als 2 % vol Alkohol durchgeführt. Bisher haben solche Biere bei uns mit einer Stammwürze um 11 °P Alkoholgehalte von 2,3 - 2,4 % vol aufgewiesen. Diese werden erreicht, indem wir konsequent nach unserem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren brauen und den Hop Creep Effekt von Hopfen vermeiden, indem entweder der Aromahopfen für die Kalthopfung zuvor enzymatisch inaktiviert wird oder wir eben mit Hopfenextrakten arbeiten, die keinerlei enzymatische Aktivität haben.
    Mit den aktuell verfügbaren Braumalzen scheint sich bei einer Stammwürze um 11 °P der genannte Alkoholgehalt als untere erreichbare Grenze abzuzeichnen, wenn Hefen verwendet werden, die Maltose und Maltotriose vergären. Vermindern lässt sich der Alkoholgehalt nur noch durch Absenkung der Stammwürze, oder eben durch Verwendung von Hefen, die keine Maltose oder keine Maltotriose vergären. In unserem aktuellen Versuch haben wir den Sud mit der maltotriosenegativen obergärigen Hefe "Windsor" von Lallemand Brewing vergoren, und zwar in unserem "Tank Volker". Daher haben wir eine Mischung aus Pale Ale Malz, Carapils und Melanoidinmalz in unserem BrewTower 140+ isotherm bei 78 °C gemaischt und als Vorderwürzebier ausgelegt.
    Die wenigen Verbesserungen an unserem "Brauturm", d.h. zwei zusätzliche Rührpaddel und eine stärkere Umwälzpumpe, haben das Maischen erheblich vereinfacht, da sich nun beim Einmaischen kaum noch Klumpen bilden bzw. diese sehr schnell zerfallen. In den nächsten Tagen wird die Maischpfanne noch mit zwei Prallblechen ausgerüstet, die die Maischarbeit weiter verbessern werden.
    Wir haben einmal 30 Minuten gemaischt und die Würze anschließend in unserer BrewTools Anlage gekocht, im zweiten Vorgang haben wir 60 Minuten gemaischt, weil die BrewTools eben mit dem Kochen der ersten Würze belegt war. Interessant ist, dass sich die Stammwürzen nach dem Abmaischen nur geringfügig unterschieden haben, 60-minütiges Maischen bringt gegenüber 30-minütigem Maischen kaum noch einen Vorteil, die Restverzuckerung findet eh im Läuterbottich bzw. in der Sudpfanne statt. Angemerkt sei, dass beide Maischen bereits nach 30 Minuten bei 78 °C visuell jodnormal waren.
    Gekocht wurden beide Sude mit einem Bitterhopfenextrakt von Yakimachief, mit einem Zielwert von milden 20 IBU Einheiten. Die Whirlpoolhopfung erfolgte mit einem Hopfenextrakt von Yakimachief in der Variante "Citra", und für die Kalthopfung haben wir von BarthHaas das Produkt "Spectrum" in der Variante "Galaxy" verwendet. Die Kombination dieser Hopfenextrakte führt zu Aromen tropischer Früchte.
    Vergoren werden beide Sude, wie oben skizziert, mit der maltotriosenegativen Hefe "Windsor" von Lallemand Brewing. Zu dieser Hefe möchten wir bzgl. unserer zylinderkonischen Gärgefäße (ZKGs) ein paar Worte verlieren. Im Sommer 2023 haben wir nach der Reinigung unserer ZKGs im CIP-Verfahren mit ca. 40 °C warmen basischen und sauren Lösungen trotz mehrfacher Spülschritte beobachtet, dass alle Biere in den zuvor gereinigten ZKGs, die mit maltose- oder maltotriosenegativen Hefen vergoren wurden, "durchgegoren" sind. In den mittels HPLC gemessenen Chromatogrammen waren Maltose und Maltotriose nicht mehr nachweisbar. Als einzige Erklärung ergab sich, dass "irgendwo" im ZKG doch noch Hefezellen aus einer vorherigen Vergärung überlebt und dann eben Maltose und Maltotriose vergoren haben.
    Nach Rücksprache mit dem Hersteller der ZKGs haben wir die Reinigung der ZKGs daher angepasst. Die Reinigung mit Lauge und Säure erfolgt bei 50 °C, im letzten Schritt wird das ZKG zu 3/4 gefüllt und mit rund 80 °C heißem Wasser während einer Stunde gespült. Der Sprühkopf des ZKGs verteilt das heiße Wasser faktisch überall im ZKG, und so sollte - eigentlich - keine Hefezelle aus einer vorherigen Vergärung überleben können. Wir werden den Gärverlauf verfolgen und nach einer gewissen Zeit mit HPLC untersuchen, ob Maltotriose noch vorhanden ist und ob sich deren Konzentration im Vergleich mit der unvergorenen Würze verändert hat. Wenn diese nicht vergoren wird, sollte ein vollmundiges fruchtaromatisches Pale Ale / NEIPA mit 1,8 % vol Alkohol resultieren.
    Unsere bisherigen Erfahrungen deuten ferner stark darauf hin, dass wir mit einem Kerzenfilter mit einer Porenweite von 450 nm ein Bier erhalten, welches keine lebenden Hefezellen mehr enthält und somit in Fässern lagerstabil ist. Allerdings setzt eine solche Filtration voraus, dass sich die Hefe zuvor gut abgesetzt hat. So kann dann zumindest bei Fässern evtl. auf eine Pasteurisation dieses Bieres verzichtet werden. Wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis.
     

  • 05. Mai

    Gegenwärtig brauen wir einige alkoholfreie Biere mit maximal 0,5 % vol Alkohol, und zwar unter Verwendung sog. maltosenegativer Hefen, über die auf dieser Website schon häufiger berichtet wurde. Die Herausforderung bei diesen Hefen besteht darin, im Kaltbereich extrem sauber zu arbeiten und den Gärverlauf zu kontrollieren, um dann rechtzeitig die drucklos vergorenen Biere schonend zu pasteurisieren, bevor sie karbonisiert werden. Auf dem Markt gibt es nur wenige solche maltosenegative Hefen, eine davon ist die LoNa von Lallemand Brewing, die von Lallemand wie folgt beschrieben wird:
    "LalBrew® LoNa™ is the first maltose-negative Saccharomyces cerevisiae strain specifically developed using hybridization for brewing clean low-alcohol and non-alcohol beers (reduced worty flavors, POF-negative and H2S-negative). Advanced classical and non-GMO breeding methods were used to select a strain that does not consume maltose or maltotriose, resulting in very low attenuation. As a S. cerevisiae strain, LalBrew® LoNa™ performs like an ale yeast producing a clean and neutral aroma profile with no phenolic flavors, and significantly reducing aldehydes that cause worty flavors. Additionally, the patented technology from the University of California Davis (USA) ensures that the strain will not produce sulfurous off-flavors, allowing the malt and hop flavors to shine through." (Text in Anführungszeichen am 05.05.2024 der Website von Lallemand Brewing entnommen).
    Mit dieser Hefe sind keine Weizenbiere mit ihrem typischen Nelken- oder Bananenaroma herstellbar, auch keine Pilsner Biere, da die Hefe keinen Schwefelwasserstoff produziert. Nach unserer Erfahrung vergärt sie auch nicht ganz so neutral, wie vom Hersteller angegeben, bei Gärtemperaturen um 20 °C zeigen sich sehr dezente Ester-Aromen, die jedoch keineswegs unangenehm sind. Daher eignet sie sich nach unserer Einschätzung recht gut für die Herstellung alkoholfreier Pale Ale Biere, insbesondere, wenn bei der Kalthopfung enzymfreie Hopfenextrakte eingesetzt werden.
    Und so haben wir am 05. Mai ein alkoholfreies Pale Ale gebraut. Von Ausnahmen abgesehen brauen wir ausschließlich nach unserem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren, wobei wir die Maischtemperatur zwischen 72 und 78 °C variieren. Diesmal haben wir in unserer 50/70 L Anlage mit Rührwerk eine Malzmischung bestehend zu 50% aus Pale Ale Malz und zu 50% aus Münchner Malz während 60 Minuten bei 78 °C gemaischt. Mit einem Nachguss von 10 Litern erhielten wir in der Sudpfanne (unsere BrewTools 150 Pro) eine Stammwürze von 14 °P, und nach Verdünnung auf 100 Liter und nach Zugabe von Sauergut entsprechend 7 °P, welche mit maltosenegativen Hefen, die auch Saccharose metabolisieren, die Grenze für das Brauen von Bieren mit maximal 0,5 % vol darstellt.
    Mit einem nicht-isomerisierten Bitterhopfenextrakt von Yakimachief haben wir die Würze eine Stunde lang gekocht und eine Bittere von rund 30 IBU eingestellt. Die Whirlpoolhopfung erfolgte mit speziellen Hopfenextrakten von Yakimachief in den Varianten "Citra" und "Mosaic". Damit ist im Heißbereich bereits die Basis für Aromen tropischer Früchte gelegt. Um diese Aromen weiter zu betonen, haben wir eine Kalthopfung mit BarthHaas Spectrum in der Variante "Galaxy" durchgeführt, d.h. zeitgleich mit der Hefe wurde der Würze dieser Hopfenextrakt zugegeben. Dieser Hopfen bringt Aromen von Pfirsichen/Aprikosen und Ananas in das Bier, sodass insgesamt ein sehr fruchtaromatisches alkoholfreies Pale Ale resultieren sollte. Wir werden in den kommenden Tagen den Gärverlauf kontrollieren, und basierend auf früheren Ergebnissen sollte die Hauptgärung nach ca. 3 Tagen mit einem Alkoholgehalt von 0,5 % vol beendet sein. Wie bei dem am 30.04. gebrauten Bier erfolgt dann drucklos eine Pasteurisation bei 63 °C, gefolgt von einer Karbonisierung. Je nach Trübung wird das Bier später evtl. noch filtriert.

    An dieser Stelle möchten wir noch ein Wort zu Hopfenextrakten verlieren. Wer diese Website ausführlich liest, sieht, dass wir sowohl mit Hopfenpellets als auch mit Hopfenextrakten arbeiten, faktisch jedoch nicht mehr mit Hopfendolden, da diese in unseren Anlagen verfahrenstechnisch sehr schwierig zu handhaben sind. Die Meinungen, welche Form des Hopfens nun die bessere ist, gehen auseinander. Wir werden künftig insbesondere für die Einstellung der Bittere jedoch wieder vermehrt zu nicht-isomerisierten Hopfenextrakten greifen.
    Unsere Erfahrungen mit Bitterhopfenextrakt haben gezeigt, dass die Angaben zu den alpha-Säure-Werten auf den hermetisch verschlossenen Dosen verlässlich sind und in den Bieren recht präzise die Bittere erhalten wird, die zuvor berechnet wurde. Eine solche Konstanz haben wir mit Hopfenpellets aus Klein-Packungen leider nie erreichen können, wofür mehrere Ursachen in Frage kommen können, über die an dieser Stelle jedoch nicht spekuliert werden soll. Mit Bitterhopfenextrakt wird gerade für unsere Forschungsarbeiten die wissenschaftlich notwendige Reproduzierbarkeit sichergestellt.
    Im Bereich der Aromahopfen hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, und mittlerweile gibt es bspw. von BarthHaas und Yakimachief (aber auch anderen) hervorragende Hopfenextrakte, die im Heißbereich bzw. im Kaltbereich eingesetzt werden können. Auch wenn sich diese Hopfenextrakte auf Hopfen mit Fruchtaromen für die Herstellung von Pale Ale Bieren konzentrieren, gibt es nun auch die ersten flüssigen Produkte aus den eher klassischen Hopfen wie Saazer, Perle oder Hallertauer Mittelfrüh, die bei Bieren wie "Pils" oder "Helles" eingesetzt werden können. Für unsere Forschungsarbeiten, die sich auf das isotherme Hochtemperaturmaischverfahren konzentrieren, ergibt sich so insbesondere die Möglichkeit, zusammen mit einer Filtration über Kerzenfilter eine bestmögliche Reproduzierbarkeit zu erzielen. Letztlich muss jeder Brauversuch für eine gewisse statistische Relevanz 3x durchgeführt werden, und wenn es dann zu hohe Abweichungen zwischen den Versuchen gibt, bspw. bei der Bittere, werden bei der Begutachtung eines Manuskripts eben Fragen aufgeworfen, die unter Umständen weitere Versuche erfordern.