Juli 2023

  • Vor einer kurzen Urlaubspause haben wir am 26.07.2023 für den runden Geburtstag eines Mitarbeiters der TU Clausthal ein helles Bockbier gebraut. Die dunklen Bockbiere, die im Winter kommerziell angeboten werden, dürften gut bekannt sein. Deren Schüttung besteht in der Basis meistens aus Münchner Malz, abgerundet durch Caramalze, Melanoidinmalz und Farbmalze, je nach Rezept. Ein Bockbier muss eine Stammwürze von mindestens 16 °P aufweisen, um als solches bezeichnet werden zu dürfen, und die Alkoholgehalte liegen wegen der hohen Stammwürze um 6 - 6,5 % vol. Bekannt dürfte noch der Maibock sein, ein helles Bockbier mit Alkoholgehalten um 7 - 7,5 % vol. Durch die Verwendung heller Gerstenmalze wie Pilsener Malz, Pale Ale Malz oder Wiener Malz in Kombination mit hellen Caramalzen und der höheren Stammwürze werden Biere erhalten, die eine merklich tiefere Farbe haben als die recht hellen Pilsener Biere. Die meisten Bockbiere werden untergärig hergestellt, obergärige sind meistens Weizenbockbiere.

    Unsere Schüttung bestand zu 75% aus Pale Ale Malz und zu 25% aus Carapils. Wir haben in unserer 70 Liter Anlage mit Rührwerk während 60 Minuten bei 73 °C isotherm gemaischt, gefolgt von ca. 40 Minuten Läutern im BrewMonk Titan (als beheizter Läuterbottich). Die Würze wurde bei konstant 73 °C gehalten, und das Nachgusswasser hatte eine Temperatur von 80 °C. Auf diese Weise wird evtl. ausgespülte Stärke im Läuterbottich sicher verzuckert, und in kommenden Versuchen werden wir die Temperatur des Nachgusswassers weiter erhöhen. Nach dem Läutern haben wir 52 Liter Würze mit einer durchaus beträchtlichen Stammwürze von 18,5 °P erreicht.
    Aus den Vergleichen mit den Anlagen in Malzrohrtechnik können wir folgern, dass mit klassischen Anlagen mit Rührwerk bei vergleichbarer Malzmenge höhere Stammwürzen erreicht werden. Sollte es nach der Vergärung bei 18,5 °P bleiben, wäre das Bier sogar ein Doppelbock. Die Würze wurde während 60 Minuten mit einem nicht-isomerisierten Hopfenextrakt für die Bittere gekocht, in den Whirlpool bei rund 90 °C haben wir 20 Gramm eines speziellen Aromahopfenextraktes in der Variante Citra gegeben sowie 300 Gramm Hüll Melon Wethop. Beide Hopfensorten harmonieren gut miteinander und sollten dem Bier nicht zu aufdringliche Fruchtnoten verleihen.
    Vergoren wird der Sud mit der Mangrove Jack's M84, einer untergärigen Böhmischen Hefe. Diese zeigt eine sehr gute Sedimentation, und in der Regel sind die damit vergorenen Biere nach vier Wochen ohne Hilfsmittel klar. Den Alkoholgehalt können wir aus früheren Suden mit dieser Malzmischung nur schätzen. Bei einer Stammwürze von 12 °P erreichen wir mit maltotriosepositiven Hefen meistens Alkoholgehalte von nicht mehr als 3 % vol. Wendet man nun einen einfachen Dreisatz an, sollte dieses Bier einen Alkoholgehalt von ca. 4,5 % vol erreichen. Dies bleibt allerdings abzuwarten, weil für das isotherme Hochtemperaturmaischen eine homogene Temperaturverteilung von Beginn an erforderlich ist. Unsere Erfahrung mit der Malzrohrtechnik hat gezeigt, dass beim Einmaischen ohne Umwälzung Temperaturnester mit niedrigerer Temperatur entstehen können.
    Dann ist die beta-Amylase für ein paar Minuten aktiv, sie produziert Maltose, und in der Konsequenz erreichen die fertigen Biere höhere Alkoholgehalte als erwartet.

  • Aktuell findet bei uns eine Bachelorarbeit im Bereich glutenfreier Biere statt, ferner haben wir in den letzten Wochen viele Versuche im Projekt zu glutenfreien Bieren auf der Basis von Quinoa durchgeführt. Diese Arbeiten binden viele Kapazitäten und werden erst einmal nicht hier berichtet, daher konnten wir erst am 17. Juli wieder frei brauen.
    An uns wurde der Wunsch herangetragen, für eine im September stattfindende Tagung ein schön fruchtiges Pale Ale zu brauen. Kommerzielle Pale Ale Biere haben häufig Alkoholgehalte zwischen 6 und 8 % vol, wofür es mehrere Ursachen gibt. Einmal werden diese Biere durchaus schon einmal etwas stärker eingebraut mit Stammwürzen im Bereich 13 - 15 °P, zum anderen tritt während der Kalthopfung der sog. "Hop Creep" Effekt auf.
    Hopfen enthalten je nach Sorte verschiedene Mengen an Amylasen (Glucoamylasen, alpha- und beta-Amylase), die im Brauprozess erzeugte nicht vergärbare höhere Zucker (Maltotetraose und höher sowie teilweise Dextrine) zu Glucose, Maltose und Maltotriose spalten und sie so der Vergärung zuführen. Dies erhöht den Alkoholgehalt durchaus beträchtlich, und so kann ein Pale Ale, welches mit den US-amerikanischen Aromahopfen Simcoe und/oder Cascade kaltgehopft wurde, bei einer Stammwürze von 15 °P durchaus 8 % vol Alkohol erreichen.
    Bei derart viel Alkohol ist naturgemäß etwas Vorsicht angebracht, zumal die natürliche Abbaurate von Alkohol im menschlichen Körper je nach Geschlecht nur 0,085 - 0,1 g pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht beträgt, sofern keine Allergie gegen Alkohol oder ein Mangel an Alkoholdehydrogenase vorliegen. Trinkt man einen Liter eines Pale Ale mit 8 % vol Alkohol, nimmt man gut 65 g Alkohol zu sich. Mit 70 kg Körpergewicht werden zwischen 9 und 11 Stunden benötigt, um diese Menge an Alkohol wieder vollständig abzubauen. Geht man bei 70 kg Körpergewicht von 50 % Wasseranteil aus und nimmt man vereinfachend an, diese Alkoholmenge würde sich homogen verteilen, würde ein 70 kg wiegender Mensch beim schnellen Trinken von einem Liter eines solchen Bieres einen Alkoholgehalt von beinahe 2 Promille aufbauen.
    Aus diesen einfachen Rechnungen im ersten Semester eines Chemie-Studiums sollte ersichtlich sein, dass mit alkoholischen Getränken grundsätzlich sehr sorgsam umgegangen werden sollte und eine Reduzierung des Alkoholgehaltes bei vergleichbarem Geschmack sicher kein schlechtes Ziel ist. Der Gesetzgeber hat Alkoholgehalte von < 0,5 % vol in Getränken als "alkoholfrei" definiert, weil es bei der oben genannten natürlichen Abbaurate von 0,085 - 0,1 g pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht sowie der begrenzten Aufnahmekapazität an Flüssigkeit faktisch unmöglich ist, einen verkehrsuntüchtigen Alkoholgehalt aufzubauen.

    Aus Brauerkreisen hört man andererseits häufig das Argument, Alkohol sei ein sehr wichtiger Geschmacksträger. Das ist nicht grundsätzlich falsch, das heißt aus molekularer Sicht in einer nicht-idealen Mischung aus Alkohol und Wasser jedoch nicht unbedingt, dass viel Alkohol immer auch zu mehr Aroma führt. Eine solche einfache "Viel hilft viel" Betrachtung ignoriert die nicht-triviale Wechselwirkung von Wasser- und Ethanolmolekülen auf molekularer Ebene. Bei der Kalthopfung werden zudem sowohl unpolare eher flüchtige Aromakomponenten in ein Bier eingebracht, deren Dampfdruck kaum durch den Alkoholgehalt beeinflusst wird, als auch polare weniger flüchtige Aromakomponenten, die sich sogar bei einer typischen Whirlpooltemperatur von 80 - 90 °C nicht wesentlich verflüchtigen. Ferner ist zu beachten, dass viele Aromastoffe glycosidisch an Zucker-Strukturen gebunden sind und diese durch das Enzym beta-Glucosidase, über welches einige Hefen intrinsisch verfügen, abgespalten werden. Kombiniert man nun Hopfen mit eher flüchtigen Komponenten in der Kalthopfung mit solchen mit weniger flüchtigen Komponenten in der Whirlpoolhopfung, lässt sich das Aromaprofil gut steuern.
    Um nun bei einem Pale Ale einen Alkoholgehalt zwischen 3 und 4 % vol bei einer Stammwürze um 12 °P zu erzielen, könnte das Prinzip der gestoppten Gärung angewandt werden, was einige Brauereien auch so praktizieren. Diese Biere schmecken in der Regel etwas süßlich, was kein Nachteil sein muss. Mit der HPLC lässt sich in solchen Fällen unvergorene Maltose und Maltotriose sicher nachweisen.

    Zur Herstellung alkoholreduzierter Pale Ale Biere verfolgen wir einen anderen Weg, der Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift BRAUINDUSTRIE veröffentlicht wurde. Konkret haben wir mit Pale Ale Malz und einer kleinen Menge Carapils durch isothermes Hochtemperaturmaischen eine Würze hergestellt, die gute 12,5 °P erreichte. Wir haben in einer Maischepfanne mit Rührwerk gemaischt, in einen thermostatisierten Läuterbottich (BrewMonk Titan) geläutert und anschließend im Braumeister 50 gekocht.
    Vom Vorgehen entspricht dies dem eines Drei-Geräte-Sudhauses. Wie bereits früher berichtet sind die Anlagen mit Rührwerk der Malzrohrtechnik beim isothermen Hochtemperaturmaischen deutlich überlegen, da zu Beginn bereits ein homogenes Einmaischen ohne die Bildung von Temperaturnestern mit geringerer Temperatur erfolgt, in welchem dann die beta-Amylase für eine kurze Zeit aktiv ist und Maltose produziert. Alle so gebrauten Biere zeigten mit Pale Ale Malz und maltotriosepositiven Hefen bei Stammwürzen von 12 °P rund 3 % vol Alkohol.
    Gekocht wurde die Würze mit einem nicht-isomerisierten Bitterhopfenextrakt während 60 Minuten, gefolgt von einer Whirlpool-Hopfung bei rund 90 °C mit einem Aromahopfenextrakt von Yakimachief in der Variante "Citra". Für die Kalthopfung haben wir die mit Lupulin angereicherten P45 Hopfen "Simcoe" und "Citra" verwendet (CryoHop von Yakimachief), die zur Inaktivierung der Amylasen vor Zugabe zur Würze im geschlossenen Gefäß kurz in Würze thermisch behandelt wurden. Vergoren wird der Sud mit der "Ebbegarden Kveik", die als maltotriosepositive Hefe über das oben genannte Enzym beta-Glucosidase verfügt und so neben den hefeeigenen Fruchtaromen per se das Hopfenaroma betont. Vorausgesetzt, die Enzyme der Hopfen wurden bei der gewählten Temperatur sicher denaturiert, sollte der Alkoholgehalt des späteren Bieres um 3 % vol betragen.